Wortbewegt! Engelbert Georgs Sprechkunst!
Zauberworte, Zauberlehrling! Goethe und Sprechbert
Sprechbert, der Künstler:
Alle Vokale tönen auf und ab, wohlklingend, in der trefflichen Tonstufe und Richtung; die Konsonanten zischen, rollen, hämmern und ganz plötzlich, wie aus einem noch vagen Aquarell, tönt ein sprachlich kunstvoll gestalteter Text hervor.
Engelbert Georg dirigiert seine Sprechweisen- Nein, er tanzt sie! Und wer dabei “mittanzt“, bekommt Flügel. Wieder und in immer neuen Varianten heißt es: „Geben Sie Rhythmus, Rhythmus, Rhythmus!“ Kurt Schwitters (oder war es Goethe?) steht dabei Pate.
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Und als es erwachte, war es
auf einer schönen Wiese, wo die Sonne schien
und viele tausend bunte Blumen blühten."
aus dem Märchen von der Frau Holle
Engelbert Georg über sich selbst:
Schon als Kind, aufgewachsen zwischen Kühen, Blumenwiese und Getreidefeld, hatte ich das Glück, mit all den wunderbaren Wesen der Märchen- und Sagenwelt bekannt zu werden.
Durch Hören und Nachahmen wurden mir Rapunzel, Schneewittchen, der Eisenhans, der lichte Baldur, der kühne Siegfried, die grimmige Brünhilde Vertraute. Mit ihnen lachte und litt ich, lebte ich innig verschwistert meine Kindheitsjahre.
Neben den Märchen und Sagen, der Allgegenwart religiöser Sitten und Gebräuche, gehörte auch die Pflege eines lebendigen Liedgutes dazu. Es war ein vielseitiges, anspruchsvolles und immer edles Liedgut:
"Mein Herz ist voll von Diamant,
ein Blum von Edelsteinen. .. "
Bei unseren dörflichen Gesängen, gerade am Feierabend, mehr noch bei den Dorf zusammenführenden Festen, bekamen wir durchaus eine Ahnung davon, dass Europa ein Musikkontinent ist, der einstmals - manchmal möchte man es kaum glauben - einen Johann Sebastian Bach hervorgebracht haben mag.
Und dann die Schule! Bevölkert von 50-70 ruppigen Buben und leidlichen Maiden, unterrichtet von einem einzigen Lehrer in einem einzigen Raum, alle acht Jahrgänge miteinander vereinend, das war der Ort größten Glücks.
Unser geliebter Lehrer! Er war -geschätzt und hochgeehrt von Jung und Alt - eine wahre Bilderbuchautorität Zugleich war er ein Genie der Erzählkunst.
Heimatkunde - unser Aller liebstes Fach! Von Geographie bis Verliebt-Verlobt-Verheiratet-Geschichten gehörte alles Erzählenswerte aus allen Weltengegenden und Lebensbereichen dazu. Geschimpft oder gar gebrüllt wurde im Unterricht nie. Wer Radau zu machen wagte, dem wurde bedeutet: "Das Wort ist zum Sprechen da!" Wen es juckte, den Mädchen an den Zöpfen zu ziehen, bekam was auf die Finger. Der Lehrer war nicht nur (ohnmächtige) Legislative, sondern zugleich auch vollziehende Exekutive. Alle fanden's gerecht!
In meiner «dummen Dorfschule» lernte ich das Lernen lieben.Und noch etwas: Solidarität! Herr Lehrer Braun ermutigte uns dazu:
"Wer etwas kann, gibt es weiter!"
Und so saßen wir denn, die Großen auf den Bänken neben den Kleinen, ausgestattet mit Schreibgriffel und Schiefertafel und führten unseren Schützlingen beim Schreibenlernen und Schreibenüben die Hand. Natürlich waren wir eifrig bemüht, der zuteil gewordenen Ehre gerecht zu werden: Es ging friedlich zu!
Zu den beliebten Fächern gehörte auch das Holzmachen (im Winter fraß der kolossale Bollerofen körbeweise Holz),dann die Gartenarbeit, aber auch Putz- und Wasserdienste. Letztere waren nötig, weil es im Schulzimmer kein fließend Wasser gab, was niemanden störte, bot es doch immer wieder Gelegenheit zu einem Verweilchen an der Zapfstelle im Gerätehaus.
Bei den Arbeiten handelte es sich übrigens um Arbeit! Man verwechsle das nicht mit beschäftigungstherapeutischem Zeitvertreib oder albernem Rumgespaße. Zuletzt hatte die Holzmiete zu stehen, und zwar heute noch, nicht etwa morgen. Und stabil und wohlgeschichtet musste sie sem, schließlich sollte sie sich sehen lassen und den Herbststürmen hatte sie auch Stand zu halten.
Jeder half jedem! Darin war man geachtet. Der Lehrer half den Kindern, darin war er den Jüngsten Vorbild, den Älteren Autorität. Der eine hatte es im Kopfe und half mit dem Kopf. Der andere hatte es in den Händen und half mit den Händen. Wahrlich, unsere achtklassige Dorfschule, beheimatet in einem einzigen Raum, mit einem einzigen Lehrer, war eine gelungene «Kooperative Gesamtschule».
Später hatte sich dann, dem geballten Widerstand des ganzen Dorfes zum Trotz, die Schulbürokratie entschlossen, diesen Pflanzgarten echter Menschenbildung höchstdemokratisch hinweg zu rationalisieren. "Die Kinder müssen endlich was Richtiges lernen!" "ltzt", so sagten die Bauersleut, "goot mit de Kinders d'Seel uss'm Dorf'. Und für'd Seel' hatte man bald schon weder Muße noch Gaben.
Es kam nämlich die Zeit, da trugen die Menschen – erst zögernd noch, dann mit Begeisterung (gerade wir Kinder sollten ja was Richtiges lernen!) die neuen, die alternativen Hausaltäre in ihre Stuben.
O, es ist wie im Märchen, und es ist gewisslich wahr! Es gab einmal die Zeit, da hegten und pflegten die Menschen nach vollbrachter Arbeit ihre Feste, ihre Sitten und Gebräuche, ihren «FEIER»-Abend. Und wahrlich, sie feierten feste! Tanzen und Singen, fideles Musizieren, Theaterspiel, Fastnachtsschwänke, Märchen- und Geschichtenerzählen durften nicht fehlen. Auch hielt man es für nötig die Brunnen zu ehren und der feldersegnenden Madonna die Blumenwege zu streuen.
Das 150 Seelendorf brachte einen Männergesangsverein, einen Frauengesangsverein, eine Blaskapelle und zur Fastnacht eine Theaterkumpanei auf die Beine. Kultur live! Und alle machten mit.
Heute ist das anders (auch in jenem märchenhaften Dorf in Oberschwaben). Das Wort, das Gespräch ereignet sich, fernbesichtigt, als Talkshow, virtuell. Getanzt wird per Videoclip und das Märchen kommt als Horrorvideo auf den Gabentisch. Und trotz "Pisaschock", "Gewaltschock", "Sprachschock" an unseren Schulen, niemand bemerkt es: Längst sind wir die Enterbten an Geist und Seele. Aber, wenn sie nicht gestorben sind, die in die Ferne sehenden Seelen, dann singen und sagen sie noch heute!
Mein Märchen ist aus. Dort läuft eine Maus. Wer sie kann erhaschen, darf sich eine große Pudelmütze draus machen.